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Zürich verdichten, aber wie richtig?

Bevor wir uns dieser Frage stellen, gilt es erstmals zu klären, warum wir dieses Wachstum überhaupt wollen, wo wir es sonst eher kritisch sehen. Verdichtung ist eine Antwort auf viele der grossen Fragen unserer Zeit: Wie stoppen wir die umweltschädliche Expansion des Menschen in natürliche Lebensräume? Wie leben wir ressourceneffizient? Wie können wir Millionen, aus ihrer Heimat vertriebene Personen, aufnehmen? Es braucht, bevor die Weltbevölkerung peakt, noch ein letztes Mal mehr Wohnraum. Und das an Orten wie Zürich, wo die Lebensgrundlagen es erlauben – im Gegensatz zu einem Streifen in einer abgelegenen Wüste.

Das Warum der Verdichtung ist klar und auch politisch geklärt, doch um das Wie müssen wir noch kämpfen. Denn überlassen wir die Verdichtung den Akteur*innen hinter der unsichtbaren Hand des Marktes, passiert das, was heute bei Aufzonungen gemacht wird. Nämlich der Abriss und der etwas höhere Wiederaufbau ganzer Häuserblocks – euphemistisch Ersatzneubau. Dass nach der ganzen Ressourcenverschwendung oftmals am gleichen Ort weniger Personen einfach auf grösserem Fuss leben, treibt das Ganze noch auf die Spitze. Ignoriert man all diese Probleme, dann ist es naheliegend, mittels einer Initiative zu fordern, dass auf jedes Haus ein weiteres Stockwerk gebaut werden soll. So fordert es die bürgerliche Aufstockungsinitiative, die bequemerweise offen lässt, wie in der momentanen politischen Ausgangslage tatsächlich aufgestockt und nicht abgerissen werden soll. Möchten die bürgerlichen Parteien tatsächlich aufstocken statt abreissen und die sozialen Probleme angehen, dann haben sie jetzt im Rahmen der kantonalen Wohnschutzinitiative des Mieterinnen- und Mieterverbands die Gelegenheit dazu. Die Initiative sieht nämlich unter anderem eine Bewilligungspflicht für Abrisse vor. Und um die auf der Webseite der Aufstockungsinitiative angekündigten stabilen Preise zu erreichen, können die Freisinnigen auch gleich die Umsetzungsinitiative der AL unterstützen, welche bei den für Aufstockungen nötigen Aufzonungen mindestens 50 % preisgünstige Wohnungen vorschreiben will.

Klar ist, dass es hier selbst für Zürichs Masstäbe um viel Geld geht. Multipliziert man in einer groben Annäherung die 11 Mio. Quadratmeter Grundrissfläche mit dem aktuellen Preis pro Quadratmeter Geschossfläche von 15’000 Fr., kommt man auf 165 Mia. Franken Umsatz, also rund das Doppelte des Stadtzürcher BIP. Kein Wunder bejubelt die Bauindustrie auf verschiedenen Portalen die Idee des Aufstockens, welche die FDP übrigens schweizweit umsetzen will. Die noch grössere Gewinnerin wäre die Finanzindustrie, welche die 165 Mio. Kapital gerne für einen Zins zur Verfügung stellen würde. Bei 1.5 % Hypothekarzins wäre die daraus resultierende und von den Mietenden finanzierte Rendite rund 2.5 Mia. und bei einer hohen Eigenkapitalquote deutlich mehr.

Somit ist ebenfalls klar, dass es zur Lösung der Mietenkrise weiterhin linke Ansätze und Initiativen braucht.

 

Martin Busekros, Gemeinderat und Mitglied der Geschäftsleitung Junge Grüne Zürich