Blog

Schluss mit Einzelkampf

„Er hat einen Podcast, aber das machen heutzutage alle und deshalb ist das uncool.“ Ich höre diese Aussage zwischen zwei jungen Menschen im Tram und ertappe mich dabei, wie ich innerlich zustimme. Doch dann frage ich mich, warum ich so gegen „alle", gegen den Mainstream bin. Wann habe ich ein begonnen mich dadurch zu definieren möglichst individualistisch, möglichst nicht wie die anderen zu sein?

 

Soziale und ökonomische Strukturen in der individualistischen Gesellschaft konditionieren den Menschen dazu zu glauben, dass Dinge nur dann Wert haben, wenn es nur wenige Menschen tun oder können. Diese exklusiven Dinge und die Menschen werden gefeiert und sie haben Erfolg. Der Kapitalismus basiert und profitiert von diesem Wettbewerb. In einer kollektiven Gesellschaft wird im Gegenteil dazu all das gefeiert, was das Individuum dem grossen Ganzen beisteuert. Es wird das zelebriert, was das Kollektiv gemeinsam - und für das Wohl der gesamten Gemeinschaft erreicht. Dabei werden die individuellen Fähigkeiten und Interessen der Einzelnen durchaus gefördert und wahrgenommen, jedoch ohne dass es Verlierer*innen gibt.

 

Die vergangenen Wahlen machen deutlich, dass sich auch die Einwohner*innen der Schweiz als Einzelkämpfer*innen sehen. Ängste und Ungewissheit waren die Treiber in diesem Wahlkampf; Sorgen um die teurer werdenden Lebenskosten, Sorgen um Kriege und Konflikte, Sorgen um die Altersvorsorge und ums Klima. Diese Sorgen sind ernst zu nehmen und absolut berechtigt. In unserer individualistisch und kapitalistisch geprägten Gesellschaft fühlen sich die Menschen dabei jedoch oft allein verantwortlich für das Wohl ihrer selbst. Jede*r Dritte Person in der Schweiz fühlt sich einsam. Einsamkeit kann zu einem Rückzug aus der Gesellschaft führen, bisherige Ängste und Unsicherheiten werden verstärkt. Der Wunsch nach Zugehörigkeit, Beständigkeit und Sicherheit ist bei den Betroffenen gross. Einsamkeit hängt signifikant mit Verschwörungsmentalität, der Billigung politischer Gewalt und autoritären Einstellungen zusammen. Rechte Parteien nutzen die Sorgen der Bevölkerung schamlos aus uns holen das Stimmvolk genau da ab. Schnell sind Schuldige gefunden und scheinbar einfache Lösungen präsentiert. Konservative Werte versprechen, die Unsicherheiten und Veränderungen in der Gesellschaft zu reduzieren, das Sicherheitsbedürfnis der Wähler*innen wird dadurch gedeckt. Doch der Schein trügt, ihre Lösungen sind weder ganzheitlich nachhaltig noch intersektionell und führen oft zu langfristigen Schäden und Instabilität.

 

Es ist an der Zeit, unsere Sichtweise zu ändern und zu erkennen, dass wahrer Erfolg durch gemeinsame Anstrengung erreicht wird. Nur kollektive Bemühungen können tiefgreifende Veränderung bewirken. Gemeinsam können wir eine gerechtere, nachhaltigere und mitfühlendere Welt schaffen, in der die Einzelnen nicht länger einsam isolierte Kämpfer, sondern Teile einer unterstützenden und wertschätzenden Gemeinschaft sind. 

 

Linda Junz, Parteikoordinatorin, und Mitglied der Geschäftsleitung Junge Grüne Zürich