Blog

Neue Wege der Demonstration

Keine heterosexuellen Intimitäten, kein Dating, keine Geburten, keine heterosexuelle Ehe. Das ist die Antwort tausender junger Frauen in Südkorea auf die dort herrschenden patriarchale und pro-natalistische Politik. Das feministische „4B-Movement“ gewinnt seit einiger Jahren an Popularität. Es basiert auf den vier Prinzipien Bihon (nein zur heterosexuellen Ehe,  Bichulsan (nein zu Geburten), Biyeonae (nein zu dating) und Bisekseu (nein zu heterosexuellen Sexualbeziehungen). Die sozialen Normen, welche an Frauen in Südkorea gestellt werden, sind besonders hoch; Das moderne und wirtschaftsstarke Land ist auf dem Index der geschlechtsspezifischen Ungleichheit im Jahr 2023 auf dem 105. Platz, fast 80% Prozent der Frauen haben am Arbeitsplatz sexuelle Belästigung erfahren, Femizide, häusliche Gewalt und Stalking sind allgegenwärtig.

 

Die Frauen kämpfen mit ihrer Lebensweise nicht nur gegen herrschende patriarchale Strukturen, sondern lehnen sie gänzlich ab und entziehen sich ihrer. Sie haben genug davon, sich dem endlos erscheinenden Kampf gegen die unterdrückenden und unmöglich erfüllbaren Normen der Gesellschaft zu stellen. Stattdessen wenden sie sich ab und zeigen damit deutlich auf, dass es auch ohne Männer funktioniert. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? In Südkorea besteht für jede Demonstration bereits eine Bewilligungspflicht. Veranstaltungen können, sofern die Gefahr besteht, dass die öffentliche Ordnung untergraben wird, nicht bewilligt werden. Persönlich kann ich die Haltung der Frauen gut verstehen. Das Gefühl mit den tolerierten Möglichkeiten, wenn überhaupt und dann nur schleichend einen Unterschied zu machen kann nicht nur frustrierend sein, sondern stellt auch die Frage in den Raum, inwiefern es denn die Aufgabe der Frauen ist, für Verbesserung und Aufklärung zu sorgen. Selbst wenn es in der Schweiz nicht ganz so drastisch aussieht, auch wir sind auf dem Index der geschlechtsspezifischen Ungleichheit im letzten Jahr um 8 Plätze auf den 21. Platz gesunken, alle zwei Wochen wird ein Femizid begangen. Die anstehende Abstimmung gegen die sogenannten «Chaot:innen» will auch bei uns eine Bewilligungspflicht für Demonstrationen vorschreiben und so die Meinungsfreiheit sowie die Möglichkeiten der aktiven politischen Partizipation massgeblich unterbinden.

 

In rund zwei Wochen jährt sich der internationale Frauentag. Dieser Tag ist mehr als ein Datum. Er ist ein Brennpunkt der Solidarität, an dem Frauen aus verschiedenen Hintergründen zusammenkommen, um eine kollektive Melodie der Gleichheit zu singen. Diese Melodie klingt über Grenzen hinweg und schärft das Bewusstsein für die mannigfaltigen Herausforderungen, denen Frauen gegenüberstehen. Der 8. März ist ein Punkt auf der Zeitleiste, der uns daran erinnert, dass der Weg zur Gleichberechtigung nicht endet. Frauen treten weiterhin auf die Bühne, nicht nur für sich selbst, sondern für eine Welt, in der die Zukunft von einer inklusiven und gleichberechtigten Vision geprägt ist und ich wünsche mir, dass wir das auch weiterhin gemeinsam tun dürfen.

 

Linda Junz, Mitglied der Geschäftsleitung Junge Grüne Zürich