Ein Jahr nach den Präsidentschaftswahlen sind die Kommunalwahlen ein wichtiges Ereignis. Von Ortsvorsteher:in bis Oberbürgermeister:in werden die Ämter neu besetzt.
Die linke Dem-Partei hat eine internationalistische Delegation eingeladen, um die Kommunalwahlen am 31. März in den kurdischen Gebieten in der Südosttürkei zu beobachten. Unsere Zürcher Delegation bestand aus linken Politiker:innen, Journalist:innen, Grafiker:innen, Student:innen und Aktivist:innen. Wir sind angereist, um uns solidarisch mit der kurdischen Freiheitsbewegung und ihrem Streben für Demokratie, Feminismus und Ökologie zu zeigen. Unsere Anwesenheit diente insbesondere dazu, dass die Mitglieder der DEM am Wahltag ihrer Arbeit – nämlich der Kontrolle und Beobachtung des Wahlhergangs – nachgehen konnten. Viele von uns sind ausserdem angereist, um ein Verständnis des politischen Kontexts zu bekommen, in dem unsere Genoss:innen für Freiheit kämpfen.
Die DEM Partei hat erst im Dezember 2023 die Nachfolge der von einem Verbotsverfahren bedrohten HDP übernommen. Neben den Verbotsverfahren von ganzen Parteien verfolgt die Regierung eine Einschüchterungsstrategie via Auferlegung juristischer Verfahren, massenhafter Inhaftierung oder die Medienmonopolisierung zugunsten des Regimes. Aktuell sind tausende Mitglieder der HDP/DEM in der Türkei inhaftiert und zehntausende sind alleine in 2023 geflüchtet. In diesen Wahlen wurde zum ersten Mal eine weitere Wahlmanipulationstaktik im grossen Style angewandt: Stimmtransfers, also das Umregistrierten von Wahlberechtigten (meist Soldaten und Polizisten) in umstrittene Wahlbezirke. Insgesamt wurden 46.901 Stimmen transferiert. Diese illegitimen Transfers konnten wir am Wahlsonntag zuhauf beobachten. So waren hunderte Soldaten in Häusern registriert, die noch nicht fertig gebaut waren. Wir konnten zahlreiche Busse beobachten, welche die Soldaten zu den Wahllokalen fuhren. Diese betraten teilweise bewaffnet die Wahllokale, was nach türkischem Gesetz verboten ist. Zudem wurde uns von Erpressung, Bestechung, Stimmzettelverbrennungen berichtet. Diese Berichte konnten wir jedoch nicht unabhängig überprüfen. Trotz all dieser Wahlmanipulation präsentiert sich die Regierung Erdoğan demokratisch, gesteht Fehler ein und beteuert, die Ergebnisse zu akzeptieren. Doch sie spielt ein doppeltes Spiel. Demokratische Fassade gegen aussen und brutale Unterdrückung, Besatzung und Kriegsführung gegen innen. Die Regionalwahlen vom 31. März und dessen undifferenzierte Berichterstattung bestätigen dieses doppelte Spiel. Während offizielle Wahlbeobachter:innen in den Grossstädten und den Provinzen der westlichen Türkei unterwegs waren und dabei keine Unregelmässigkeiten beobachtet zu haben scheinen, zeigen unsere Beobachtungen und die der anderen unabhängigen Wahlbeobachtungsdelegationen Wahlbetrug, Einschüchterung, Repression und Intransparenz.
Doch die kurdische Bewegung gibt nicht auf! Ihr Widerstand gegen die illegitime Herrschaft und ihr Kampf für Freiheit, Demokratie, Feminismus und Ökologie scheint hell, wie eine aufgehende Sonne in die Dunkelheit der kapitalistischen Gegenwart.
Dieser Text ist eine gekürzte, adaptierte Version des gemeinsamen Berichtes der Zürcher Wahldelegation zu den vergangen Kommunalwahlen in der Türkei. Von den Jungen Grünen war Yves Henz (VS-Junge Grüne Zürich / Gemeinderat der Stadt Zürich) vor Ort. Von ihm stammt auch diese Adaption des Berichts.
Yves Henz, Gemeinderat Stadt Zürich und Vorstandsmitglied der Jungen Grünen Zürich